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Drama um die Schuldenobergrenze in den USA: Was Investoren aus der Historie lernen können, warum der Markt immer wieder falsch liegt und sich beim Dollar bald eine Chance bietet
Dieser Showdown bringt die Wall Street um den Verstand: Das Weiße Haus und die Republikaner im Kongress stehen sich gegenüber und ringen um eine Einigung. In den Hauptrollen: Präsident Joe Biden – und Kevin McCarthy, Sprecher des Repräsentantenhauses. Das Problem: die Schuldenobergrenze. Das Limit für die Schulden wurde technisch bereits am 19. Januar erreicht. Das Finanzministerium operiert nun mit „außerordentlichen Maßnahmen“, um den Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Aber bis Juni könnten auch diese Optionen erschöpft sein.
Die Schuldenobergrenze muss also erhöht oder ausgesetzt werden – sonst droht zum ersten Mal ein Zahlungsausfall der USA. Finanzministerin Janet Yellen hat bereits eindringlich davor gewarnt, dass den USA schon ab dem 1. Juni das Geld ausgehen könnte. Es braucht also dringend eine Einigung – aber die bleibt weiterhin aus. Denn die Republikaner fordern, dass massiv Ausgaben gekürzt werden, da liegt man aber noch weit auseinander mit den Vorstellungen des demokratischen Präsidenten Joe Biden. Der will bei weitem nicht so viel sparen wie die Republikaner. Wichtige Projekte wie den Inflation Reduction Act und massive Förderungen für grüne Energie wird er nicht aufgeben. Zudem will Biden die Steuern für Unternehmen erhöhen, um mehr Einnahmen zu generieren – wiederum ein Problem für die Republikaner. Eine Einigung ist noch in weiter Ferne. Also können die USA wirklich pleite gehen?
Ausschließen lässt sich das natürlich nicht! Vor allem sorgen sich viele beim Blick auf die jüngsten Reaktionen des Marktes. Schauen wir dazu auf die 1-Jahres-CDS-Spreads bestimmter Länder, laut FactSet sieht es momentan so aus (Stand: 15. Mai 2023):
USA: 175,5
Griechenland: 43,4
Brasilien: 54,4
Mexiko: 34,1
Böse Zungen behaupten, in Sachen Kreditrisiko bewegen sich die USA gerade auf dem Niveau eines ambitionierten Schwellenlandes – der Markt stuft die USA gar riskanter ein als Länder, die schon mehrmals ihren Verpflichtungen nicht nachkommen konnten. Tatsächlich ist der Wert des Spreads für die Kreditausfallversicherungen bei den USA zuletzt durch die Decke gegangen. Anfang Januar notierte er noch bei rund 20. Also eine Steigerung um 775 Prozent! Zudem taumelt auch der Dollar gehörig seit Herbst 2022 …

Quelle: FactSet
Aber wie ernst sind solche Reaktionen des Marktes zu nehmen? Die wichtigste Botschaft: Die Schuldenobergrenze der USA wurde in der Geschichte schon 78-mal angehoben – alleine während der Amtszeit von Donald Trump zuletzt dreimal, nun stellt sich die Frage, warum es dieses Mal nicht passieren sollte. Auch wenn die Situation gerade verfahren erscheint: Zum einen gilt eine temporäre Aussetzung der Schuldengrenze immer noch als sehr wahrscheinliche Option und zum anderen erkennen erfahrene Beobachter gerade Parallelen zum Jahr 1995. Damals standen sich in den Hauptrollen Präsident Bill Clinton und Newt Gingrich gegenüber. Der Dollar taumelte auch damals während der zähen Verhandlungen …

Quelle: FactSet
Und langsam erkennen wir, dass der Markt anscheinend des öfteren schon sehr vorsichtig und nervös reagierte, wenn um eine höhere Schuldengrenze gefeilt wurde. Zum finalen Exitus kam es aber bislang noch nie. Doch trotzdem treibt ein Schlagwort Investoren immer wieder den Schweiß auf die Stirn: Shutdown. Wenn sich keine Einigung erzielen lässt und der Kongress es versäumt, Haushaltsgesetze zu verabschieden, können die Behörden im Ernstfall nichts mehr ausgeben. Dann kann die Regierung vorübergehend Zahlungen an Mitarbeiter einstellen und der Laden steht still.
Shutdown!
Klingt beängstigend, aber solchen Stillstand gab es in der US-Geschichte auch schon öfters, unter anderem während des 21-tägigen Shutdowns von 1995–1996 während der Amtszeit von Bill Clinton, und während des 16-tägigen Shutdowns 2013 während der Amtszeit von Barack Obama.
1. Learning: Im Westen nichts Neues
Die Schlagzeilen überschlagen sich und die Spannung wird mit jedem Tag ohne Einigung steigen. Aber die Schuldenobergrenze wurde bereits 78-mal angehoben und es wird höchstwahrscheinlich auch dieses Mal nicht zur ultimativen Katastrophe kommen. Gerade eine temporäre Aussetzung der Schuldenobergrenze gilt nach wie vor als sehr wahrscheinliche Option.
2. Learning: Trotzdem große Unsicherheit
Trotzdem läuft das Spiel an den Märkten immer wieder ähnlich ab: Die Unsicherheit überwiegt bei den Investoren und es kann zu heftigen Ausschlägen kommen. Im Chart unten siehst du, wie heftig die Volatilität ausschlagen kann – besonders im Jahr 2011 wurden die Märkte heftig durchgeschüttelt. Vor allem unerfahrene Anleger sollten das auf dem Zettel haben und sich nicht verrückt machen lassen.

3. Learning: Markt lag immer falsch
Und nun kommen wir zum wichtigsten Learning: Der Markt lag immer falsch! Besonders spannend ist es, wenn man sich anschaut, was bei den Shutdowns in der Vergangenheit passiert ist. Der Dollar wurde davor in der Regel abgestraft und fiel wie dieses Mal auch im Wert. Im Chart unten siehst du die jeweiligen Shutdowns als Startpunkt, die Kursentwicklung des Dollar-Index startet also beim ersten Tag des Stillstands.

Quelle: FactSet, Beating Beta
Es lässt sich erkennen, dass auch während der Shutdowns durchaus noch viel Unsicherheit herrschte, doch 100 Tage danach notierte der Dollar jedes Mal höher als zu Beginn des Shutdowns. Liegt der Markt also auch dieses Mal wieder falsch mit seiner vorsichtigen Haltung beim Dollar? Es spricht einiges dafür. Anleger sollten Rückschläge aufgrund der Historie eher als Chance betrachten – und der Dollar könnte bald wieder strahlen, wenn der Ärger um die Schuldenobergrenze wieder einmal verraucht sein wird …